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Brief an die Verwandtschaft

Liebe Tanten und Onkels,

mir geht es gut – wie geht es Euch. Hier ist es sehr schön und ich bin froh, dass ich immer so getan habe, als würde ich die Geringschätzigkeit, mit der ihr mich behandelt habt, nicht merken. Ich habe immer so getan, weil ich nicht wußte, wie ich es Euch heimzahlen kann. Weil meine Eltern genau wie ihr im Bann meines Großvaters waren, dummerweise eben auch mein Vater, der komischerweise sogar irgendwie vor Euch Angst haben zu schien. Aber alle haben sich klein gemacht, gegenüber dem tyrannischen, schwulen, verwöhnten Arschloch von Großpapa mit seinem Schwanz, der viel zu dick war für den kleinen Kinderhals.

Ich habe immer versucht, erwachsen zu erscheinen und Euch alles zu verzeihen. Aber in meinem Herzen habe ich mir immer gewünscht, Ihr wäret auf meiner Seite. Auch wenn es hart kommt. Auch wenn der Großvater mich wieder schwach findet und jeden, der sich auf meine Seite stellen würde, auch schwach finden würde. Mit den ganzen Torturen und Foltereien, zu denen ein heimlicher, frustierter Schwuler mit sozialdarwinistischen Machtphantasien eben gegenüber einem wehrlosen kleinen Kind fähig ist. Ein ekeliger, alter Mann, gedeckt von seiner ganzen Sippschaft, geifernd vor, hinter und über seinem wehrlosen Opfer.

Ich hätte mir so sehr gewünscht, dass irgendjemand auf meiner Seite wäre. Nur für einen Tag. Nicht, weil ich mir zu träumen gewagt hätte, dass dann alles aus sein könnte. Nur um ein wenig Frieden mit mir selbst haben zu dürfen und nicht so einsam sterben zu müssen. Ich war komplett fertig mit diesem sinnlosen Leben. Ich war nur nicht bereit und in der Lage diese Einsamkeit und Verachtung, durch alle Menschen die ich kannte, auszuhalten. Ich konnte den Gedanken einen solchen Tod erleiden zu müssen nicht aushalten. Das war alles was ich wollte: Einen schönen Tag erleben ohne Demütigungen und ich dachte, dass ich dann Ruhe geben könnte und in meinen Tod eingewilligen.

Darum, um diesen einen Tag irgendwie möglich zu machen, habe ich immer so getan, als würde ich nichts merken. Darum habe ich das alles ausgehalten: Meine Mutter, die genauso gerne wie ihr stark sein wollte, in den Augen meines Großvaters. Die uns bereits als kleine Kinder quälte, weil ihr Großpapa ganz einfach weismachen konnte, wie schwach wir wären und dass wir eine harte Hand bräuchten. Wie sehr mußte ich mich immer wieder anstrengen, Ihr zu bestätigen, dass sie recht damit hatte. Weil wir früh gemerkt hatten, dass eine so eingebildet starke Frau wie sie, es nicht erlauben kann, dass man ihr widerspricht und sonst komplett durchdreht. Dabei war sie doch so schwach und ängstlich! Wie sehr mußte ich mich anstrengen, sie da irgendwie durchzubringen, damit mein und das Überleben meiner Geschwister irgendwie ermöglicht wurde! Und dabei hat mir, dem Schwachen, niemand – außer meinen Schwestern – geholfen: Nicht Ihr und nicht mein Vater.

Und mit Euch hat Großpapa doch das gleiche Spiel gespielt: Wer den kleinen Dietrich verteidigt ist schwach! Ich habe mir so sehr gewünscht, dass Ihr auf meiner Seite wäret und dass Ihr mir helft, diesen einen Tag zu erleben. Aber für Euch waren meine Versuche, Euch irgendwie doch noch für mich zu gewinnen und an Eure Menschlichkeit zu appelieren, immer nur ein Zeichen meiner Schwäche.

Ich habe das dritte bis sechste Jahr meiner Kindheit damit zugebracht, mir jeden Tag aufs neue den Kopf darüber zu zuermartern, wo mein Fehler ist und ich habe nichts, nichts unversucht gelassen, da irgendwas dran zu drehen, dass das aufhört. Dabei sind sicherlich oft wirre Aktionen heraus gekommen. Aber das Spiel, dessen Regeln ich zu dumm war zu begreifen ging so: Der Großpapa schlägt und alle sehen zu und schlagen ein bischen mit. Wenn er sich wehrt, ist das nur ein Zeichen, dass er seine Schwäche nicht einsehen kann und er muß noch besser dressiert werden. Wenn er weint und um Hilfe bittet, seht Ihr ja wie schwach er ist. Das Resultat ist das gleiche, weil er doch gestählt werden muß und weil er zu dumm ist das Spiel zu verstehen. Und wenn er gar nichts tut, ist es noch am besten und dann ist ein bischen Ruhe. Aber dann muß er auch einsehen, dass er schwach ist, weil der doch verloren hat. Die Frage an Euch ist: Ist er wirklich der Verlierer in diesem Spiel? Dass er so unendlich traurig ist und nicht verstehen kann, wie es auf der Erde solche Spiele geben kann, deutet darauf hin, nicht wahr? Dass er sich fragen muß, wie es in einer Welt, die doch ihn selbst hervorgebracht hat, solche Erlebnisse geben kann, das muß doch ein Zeichen von Schwäche sein. Nicht wahr?

Ich habe das damals auch selbst als Schwäche empfunden, dass ich da auch noch selbst mitspiele und immer wieder nach einem Ausweg suche. Aber der einzige Ausweg, der mir einfiel war der Tod. Und eigentlich wollte ich auch in einer Welt, die so anders ist als ich selbst, nicht weiter leben. Hätte ich mein junges Leben also wirklich beenden sollen? So sterben? Ohne dass einer auf meiner Seite ist? Aber wozu dieser Tod? Wäre ich dann endlich stark gewesen? Hätte einer von Euch dann gesagt: “Oh hoppla, der war ja doch nicht so schwach. Haben wir uns wohl getäuscht.”? Wenn ich daran hätte glauben können, hätte ich vielleicht einen Weg gefunden, das alles zu beenden und könnte das heute nicht mehr schreiben. Aber ich wußte, dass Ihr das nicht gesagt hättet, sondern: “Tja, Großvater hat es ja immer gesagt.”

Ich hasse Euch, ich hasse Euch, ich hasse Euch und ein Teil von mir wird Euch immer hassen. Dafür, dass da keiner den Mund aufgemacht hat, als mich Großpapa vor Euren Augen gedemütigt hat. Dass Ihr Euch zu ihm an den Tisch gesetzt habt und nicht zu dem kleinen, hilflosen Jungen an seinem Extratisch. Wofür? Wer von Euch steht denn jetzt auf einem Denkmal, zusammen mit Großpapa und als Beweis für Eure Stärke? Und für diese überlegene Ideologie, die das Schwache ausmärzen möchte, und die doch dann als erstes selbst ausgemärzt werden müsste. Wenn Ihr Recht hättet, wäre das ganze Leben doch nur eine lächerliche Marionettenveranstaltung – aber vermutlich ist es genau das, was Ihr unter Leben versteht. Und für Marionetten ist das ja wahrscheinlich auch die einzige Art von Leben die sie kennen.

Ich kann gar nicht so viel kotzen, wie mir schlecht ist bei den Erinnerungen und ich kann gar nicht so viel heulen, wie mich dieser ganze widerwärtige Quatsch traurig macht.

Wer gab und gibt Euch nur das Recht, Euch so über andere Menschen zu stellen? Wer gab Euch nur das Recht, die Scham, die doch bei Euch sein sollte, dem kleinen, vierjährigen Kind aufzutischen? Eure eigene, kleine Angst davor selbst herabgewürdigt zu werden? Dann kann ich nur sagen, dass Euch niemand mehr herabwürdigen kann, als ihr es selbst in diesem Moment tatet. Oder einfach nur Großpapa mit seiner eingebildeten Stärke und seinen Träumereien von der  starken Rasse? Aber warum habt ihr das dem geistig klein gebliebenen Familientyrannen geglaubt? Dass er weiß, wie das geht mit der starken Rasse und wer stark und wer schwach ist? Weil er im 3. Reich und danach soundso viele Menschen inklusive seiner eigenen Kinder und fast auch Enkelkinder auf dem Gewissen hat? Ist das Eure starke Rasse? Kann eine Lehre, bei der diejenigen, die sich Stärke anmaßen und draus das Recht ableiten andere zu quälen stark sein? Habt Ihr das wirklich geglaubt? Also was dann? Und sagt jetzt nicht wieder, dass ihr das ja alles nicht wußtet – ihr wußtet nicht alles aber Ihr wußtet genug.

Ich denke, dass Ihr nicht daran vorbei kommt, darauf eine Antwort zu finden. Meine Eltern konnten es nicht. 

Viele Grüße auch an Euren Tod, – und vor allem: Nicht schwach werden! Nicht wahr?

Dietrich

PS: Ich weiß, dass zwei von Euch Älteren zweimal “heimlich” auf meiner Seite waren. Ihr glaubt nicht, wie wichtig das für mich war und wieviele Wochen mich das wieder weiter getragen hat. Aber es war nicht genug.

Dressur

Als ich von Großpapa dressiert wurde, war er erst ausgesprochen freundlich und für einen Erwachsenen, sehr “auf meiner kindlichen Seite” und hatte Verständnis für alles. Er fragte mich, ob  meine Mutter denn immer freundlich zu uns wäre und wollte hören, dass sie das nicht war. Er meinte, ich könnte ihm das ruhig sagen und er war sehr verständnisvoll als ich ein bischen was erzähte. Aber ich erzählte nicht alles, ich wollte erst einmal abwarten, was er damit machen würde. Ich war mißtrauisch, weil ich wußte, wie sehr Mama ihn verehrte und mir das Ganze komisch vorkam. Es war aber trotzdem schön, jemanden zu haben, der einem glaubt und der auf meiner Seite war.

Dann wurde mir das Geschirr umgelegt und die Augen verbunden. Dann wurde ich angeschrieen und hin- und hergeschleudert. Die Angst schlug bald in Wut um und dann in Resignation. Ich machte, was er wollte aber innerlich abwesend und ohne Mühe. Ich dachte, der ist sowieso stärker und wenn es im Spaß macht, mache ich halt mit. Dann wurde es noch schlimmer und noch brutaler und aus der Angst wurde Todesangst und ich strengte mich doch an, dass er meine Unlust nicht merkt. Aber innerlich blieb die Wut und der Hass, nur gut versteckt und ich schwor mir, dass ich nie wieder zu ihm gehen würde. Schließlich mußte ich ihn noch in den Mund nehmen, es blieb die Angst vor ihm und ihm weh zu tun und seinen Zorn auf mich zu ziehen. Aber es blieb auch die Enttäuschung und die Wut und der Gedanke, dass es trotz allem bei Mama besser wäre als bei ihm.

Schrecklich war, dass meine Mutter mich dann zwang doch wieder zu ihm zu gehen und dann – wirklich unverständlicherweise – mein Vater auch dafür war. Dabei weigerten sich beide immer, mir zuzuhören, wenn ich erzählen wollte, was dort passiert war. Mein Vater meinte, er würde ja noch nachgeben, wenn ich mich nicht so bockig anstellen würde und dann versuchte ich es wieder mit ein wenig nachgeben aber das half auch nicht. Meine Mutter wollte, dass mein Großpapa einen starken Mann aus mir macht, aber darin lag soviel Verachtung für meinen Vater und ich konnte nicht verstehen, dass der da dennoch mit machte.

Dann hatte ich keine, auch keine innerliche Barriere mehr. Ich mußte alles machen, was er wollte und konnte mir nicht mehr sagen, dass er ja sowieso stärker wäre. Ich mußte dagegen halten, obwohl ich genau wußte, dass es genau das war, was er wollte, damit er mir zeigen könnte, dass er stärker wäre und damit ich mich dann wieder und wieder unterwerfen muß. Ich mußte mich ihm immer wieder unterwerfen, obwohl ich das Gefühl hatte, dass er es war, der mich aus meiner eigenen Familie heraus gedrängt hatte und mir meine Mutter und meinen Vater genommen hatte.

Das Schlimme ist, dass man sich aufgeben muß und sich verraten muß. Und es ist bis heute schrecklich, das einzusehen. Dass es bis heute immer wieder notwendig ist, das bischen Selbstbewußtsein was er einem gelassen hat auch noch aufzugeben und auch noch den eigenen Anteil an der ganzen Sache einzusehen, damit man die Panik und die Angst vielleicht irgendwann nicht mehr haben muß.

Warum kann das sein: Das alle gegen ein kleines Kind sind: Die Eltern, der Großvater und dann am Schluß sogar noch die Geschwister. Dass alle meinen es wäre die Schuld des kleinen Kindes, weil es zu schwach geboren wurde oder weil es irgendetwas gemacht hatte, von dem ihm keiner sagen konnte, was das wäre.

Und dann war es am Ende am Anfang doch alles der Großvater

Der quälte, körperlich, bis ich nicht mehr konnte und nicht ein noch aus wusste aus Angst. Durchgeschüttelt und hin- und hergeworfen, buchstäblich und beschimpft. Blind vor Angst und verbundenen Auges und allein gelassen und ausgeliefert und verraten von der eigenen Mutter. Seiner Tochter. Gedemütigt ohne überhaupt über Mut nachgedacht zu haben, entehrt ohne überhaupt einen Begriff von Ehre zu haben. Ausgelöscht. Ohne Verstand und ohne Vorstellung warum und was und wie lange. Ohne Idee davon ob überhaupt ein Ende sein kann und was dann noch da wäre. Nur noch Angst und nicht wissen und Leere und Verzweiflung und Erwartung des absoluten Endes weil ein “danach weiter” unvorstellbar ist. Und dann doch eine Art Ende. Und dann noch ein wenig nachgeben, aber kaum noch schlimm. Nur durch und durch gebunden zu einem willfährigen Bündel, das anstelle des Atems die Lust des anderen in sich einführt und ihn geniessen lässt die eigene absolute und vollkommene Hingabe und sich füllen mit dem Fremden und sich nicht erlauben – keinesfalls – zu denken, dass es nicht richtig sein könnte. Nicht das, was doch die Erlösung und Erleichterung und Befreiung von der Qual ist. Das muss doch das Richtige und Gute und die Wahrheit sein.

Und dann ist plötzlich doch alles zu Ende und alles soll gut sein und zu meinem eigenen Besten und überhaupt: Jetzt gehen wir erst einmal Kuchen essen und hier ist die Schokolade. Und so endete mein Leben und es wurde die große Lüge.

Immer wieder. Und immer wieder neu: Wo ist mein Fehler?

Das Kind steht da noch heute in mir mit verbundenen Augen und ist mit einer Leine versehen und mit den Händen am Körper gebunden und mit den Füßen gebunden, so daß nur kleine Schritte möglich sind. Es hat zuerst Zutrauen zum Großpapa, den es ja kennt. Doch dann beginnt der Großpapa zu schreien und zu schimpfen und das Kind zieht den Kopf ein. Es kriegt weiche Knie und fängt sich verzweifelt an zu fragen, was es falsch gemacht hat. Das Kind will schreien, aber dann wird es erst recht bestraft und beschimpft. Es fragt sich immer weiter was es falsch gemcht hätte und was der Fehler ist während es Schweißausbrüche bekommt und die Angst am Rücken hochwallt. In den Ohren fängt es an zu flirren und es ist darin laut auch wenn der Großpapa mal nicht schreit. Das Kind zieht die Schultern immer weiter hoch, um sich zu verbergen. Mehr ist nicht möglich als kleines Kind, mit einer Leine gefesselt. Aber es wird dennoch hin und hergehetzt und geschleudert und kann nicht so schnell folgen. Die Angst ist übermenschlich groß und das Kind versucht immer kleiner zu werden. Aber es wird immer weiter beschimpft und es versucht etwas richtig zu machen aber es ist alles falsch. Das Kind fragt sich immer verzweifelter, was falsch ist und beginnt mit dem bischen, was ihm in der Hetze bleibt, immer verzweifelter an sich zu nagen und sich selbst und den Großvater und die ganze Situation zu hassen, weil ihm einfach nicht einfällt, wie es etwas richtig machten könnte. Es fühlt sich immer schuldiger und falscher. Es soll alles bloß aufhören und nie wieder passieren, aber es gibt bereits eine Ahnung, dass das nicht so sein wird.

Die Tortur dauert unendlich lange. Das kleine Kind verliert darin immer wieder sein Leben. Bis es endlich lieb sein darf und dem Großpapa seine Wünsche erfüllen darf.

Unten steht die Mama und nimmt das Kind in Empfang. Sie sagt, dass es schrecklich gewesen wäre, die Schreie zu hören. Aber Großpapa lächelt und sagt ihr, dass sie es ja auch so gewollt habe und da das Kind nun mal nicht so oft berim Großpapa ist, muß er schon auf einen Schlag etwas mehr machen. Dann lächelt er das Kind an und sagt: “Dietrich, Du findest das doch richtig und verstehst das, oder?” Und das Kind beeilt sich zuzustimmen aber es schwört sich, dass es nie wieder dorthin gehen wird.

Das schrecklichste an dieser Geschichte ist, dass es tatsächlich noch nächste Male gab. Als ich hörte, dass ich wieder zu Großpapa soll, habe ich mich bis zu dem dafür geplanten Tag mit Schimpfen, Schreien, Lieb sein dagegen gewehrt. Aber meine Eltern blieben hart. Ich konnte das nicht verstehen, aber es half alles nichts. An dem Tag wurde es immer schlimmer aber irgendwann sagten meine Eltern dann zu mir, dass ich mitkommen solle aber ich müsste dort nicht übernachten. Da ich nicht alleine zu hause bleiben konnte (4 Jahre?) willigte ich ein. Im Auto wurde mir dann eröffnet, dass die Planung nun einmal so wäre, dass ich dort bleibe und übernachte und damit Schluß. Ich war grenzenlos enttäuscht und wütend – ich weinte und schrie und versuchte und versuchte alles, aber es half alles, alles nichts. Ich mußte würgen bei dem Gedanken an den triumphierenden Großpapa. Auch meine Schwestern waren erst auf meiner Seite, aber ich erinnere mich noch, dass ich irgendwann merkte, dass sie ruhiger wurden und nichts mehr zu meiner Verteidigung sagten. Da merkte ich, dass ich alle einfach nur störte und verstummte und legte mich innerlich auf meine riesengroße Traurigkeit und alles nahm seinen Lauf. Immer und immer wieder.

Später hat mir meine Mutter einmal gesagt – ich weiß nicht warum, daß sie mich gebrochen hätten. Ich denke, dass mein Großvater mich unterworfen hat aber dass meine Eltern mich damals tatsächlich gebrochen haben.

Mamas Traurigkeit

Mama war so traurig innen drin. Ihre eigene Mutter war gestorben als sie 14 war und sie erzählte uns, dass sie ihre eigene Mutter an die Nazis verraten hatte, weil die Mutter gegen den Krieg war und alles. Ihre Mutter war dann zum Verhör geholt worden und kam dann aber wieder nach hause und war wohl ziehmlich verstört aber verzieh meiner Mutter. Aber dann starb sie nach einiger Zeit und meine Mutter war der Meinung, dass sie sich nie von dem Verhör und dem Kummer erholt hatte, den meine Mutter ihr angetan hatte.

Ich glaube, dass mein Großvater ihr das eingeredet hat und ihr sagte, dass das ein Zeichen von Stärke wäre, wenn sie das aushalten und die Schuld auf sich nehmen würde und damit leben könne und das gut finden könnte. Ich glaube auch, dass mein Großvater selbst seine Frau los werden wollte, weil sie seine Naziphantasien nicht teilte und sie ihn erstens an seiner eigenen “Starkwerdung” hindern würde und weil sie zweitens ihre schützende Hand über seinen Sohn, Eberhard, hielt und er seine “Stärke-Erziehung” an seinem Sohn so extrem wie möglich durchziehen wollte.

Unsere Mutter erzählte uns auch, dass Ihr älterer Bruder, Eberhard, den Großvater zu einem Starken machen wollte mit der ganzen Brutalität und Grausamkeit die er dafür so gerne anwandte unter der schützenden Hand seiner Mutter gestanden hätte, die nach deren Tod ja wegfiel und Großpapa dann freie Hand hatte. Auch daran gab sich meine Mutter die Schuld. Und wohl auch nicht ganz zu unrecht, denn sie erzählte auch, dass Großpapa oft sehr brutal zu Eberhard gewesen wäre, dass er ihn zum Beispiel auch über nacht in einem Erdloch eingesperrt hätte. Sie erzählte aber auch, dass es dann auch wieder lustig gewesen wäre, mit anzusehen, wie sich Eberhard gewunden hätte, wenn Großvater ihn quälte.

Meine leibliche Großmutter starb jedenfalls an etwas, Thrombose wurde diagnostiziert und allgemein wurde von schlechter ärtzlicher Versorgung im Krieg gesprochen und auch Großpapa, der ja Tierarzt war, war an der ärztlichen Betreuung seiner Frau beteiligt. Was wirklich geschehen war, werde ich nie wissen aber ich zweifele an vielem was mir in diesem Zusammenhang erzählt wurde.

Meine Mutter erzählte jedenfalls auch, dass ihre Stiefmutter, meine Großmutter, in die Familie als Haushälterin kam als ihre Mutter noch lebte und dass diese sich immer als Verbündete der Kinder ausgegeben hatte, auch gegen deren eigene Mutter und Vater. Dass diese aber doch erst dem Großvater “diese Ideen” vorgestellt hatte und sich mit ihm verbündet hätte. Und als ihre Mutter das mitbekommen hätte, wäre es längst zu spät gewesen.

Als ihre Mutter starb gab es laut meiner Mutter auch noch ein kleines Baby und meine Mutter war traurig und die Feinde (die Russen im Krieg) kamen näher und keiner wußte, was nun aus dem Baby werden solle. Meine Mutter, die sich ja die Schuld an allem gab, nahm sich dann der Sache an und erstickte das Kinde mit einem Kissen.

Wenn uns unsere Mutter diese Dinge erzählte, wurde sie immer trauriger und am Ende ging dann ein Ruck durch sie und sie drückte sich durch und wollte zu ihrer Stärke zurück finden. Wenn wir sie danach in irgendeiner Form daran erinnerten wurde sie sehr wütend und sehr brutal.

Ich war immer so traurig und wütend auf meinen Vater, der meiner Mutter doch hätte helfen müssen aber sich lieber in seine eigene Schwäche zurück zog und eine starke Frau haben wollte. Und da haben sich die beiden in ihrer Verzweiflung wohl gefunden: Meine Mutter, die ihre Traurigkeit durch eingebildete Stärke bekämpfen wollte und mein Vater, der sich klein und schwach fühlen wollte, damit ihn jemand beschützt und der Angst davor hatte, seine Wut gegen jemanden zu richten, den er vielleicht noch als Schutz brauchte.

Vater ist Sehnsucht

Ich hatte einmal einen Vater, in den ersten Jahren meines Lebens, der sich freute, wenn er mich sah, der mich glücklich machte, wenn er da war am Feierabend und der einen so interessanten Geruch hatte.

Diese Phase hörte nach ungefähr drei bis vier Jahren auf. Ich weiß schon sehr lange, dass mein Vater meiner Mutter sexuell hörig war. Ich weiß auch, dass mein Vater regelmässig zu einer Domina ging. Beides haben meine Eltern mir selbst vorgeführt.

Als meine Mutter wollte, dass mein Vater sich zwischen ihr, die mich zu ihrem Vater schicken wollte, und mir entscheidet, war die Sache für meinen Vater recht schnell klar. Ich wurde dann auch zu seinem Opfer. Ein einziges Mal, als wir zu zweit waren, deutete er an, dass er selbst keinen anderen Ausweg sehen würde und dass ich das doch verstehen müsse. Die einzige Lösung, die es geben würde, wäre, wenn mein Großvater weg wäre.  Er meinte auch, dass Kinder da keine Strafe befürchten müssten und dass ihm das leider erst zu spät klar geworden wäre. Wie er das meinte, habe ich nur halb verstanden und ich wollte vielleicht auch nicht alles verstehen. Ich  erfuhr dann später am eigenen Leib, wie er das wohl meinte: Er war der älteste Sohn eines Bauern und wurde selbst als Kind von seinem Vater mißbraucht. Ich kann das nur vermuten aber ich denke, da er der älteste war, war er auch das bevorzugte Opfer. Mein Vater hatte noch sechs Geschwister und die ganze Familie war eigentlich angenehm und entspannt, daher denke ich, dass es meinen Vater besonders schlimm traf. Auffällig ist auch, dass mein Vater als Erstbeborener, dennoch nicht – wie üblich – den nicht kleinen Bauernhof übernahm, den an seiner Stelle sein jüngerer Bruder fortführte.

Großvaters Mißbrauch

Meine Mutter war wohl von ihrem eigenen Vater abhängig, jedenfalls tat sie fast alles, was er wollte. Als sie mich zum ersten Mal zu meinem Großvater schickte, war meine Schwester auch dabei. Sie benahm sich, als ob unser ganzes bisheriges Leben nur für diesen Moment stattgefunden hätte. Sie hoffte wohl, dass wir beide in den Augen unseres Großvaters genauso stark eingeschätzt würden, wie sie selbst sich in seinen Augen fühlte. Sie meinte, dass es schwache Menschen geben würde, die noch die Hand lieben würden, die sie schlägt.

Vor allem ich wurde von meinem Großvater als Schwächling eingeschätzt, der eine starke Hand bräuchte. Damit begann ein entsetzliches Leben, gepeinigt von einem mich mißbrauchenden Großvater, einer Mutter, die mich verachtete und einem Vater, der Angst davor hatte, auf meiner Seite stehen zu müssen. Er war froh, als mein Großvater ihn dann eines Tages ins Vertrauen zog und ihm erklärte, wie wichtig es für mich war, dass er sich um einen Schwachen wie mich kümmerte.

Das ging dann eine ganze Zeit so, zum Glück lebten meine Großeltern ungefähr 1,5 Stunden Fahrtzeit entfernt. Aber manchmal mußte ich dort mehrere Tage übernachten und dann passierte es meistens in der ersten Nacht, dass ich gefesselt und drangsaliert wurde.

Kaffetrinken mit Goldrand

Eines Tages sagte mein Großvater zu meiner Mutter: “Der Dietrich ist ja schon ganz gut, aber dass er so zutraulich mit anderen Leuten umgeht ist noch nicht gut, aber ich habe da schon eine Idee, wie ich das machen kann.” Dabei lächelte er sein gütiges, überlegenes Lächeln.

Ich glaube, dass dieser Plan dann so aufging:

Es gab eine Familienfeier und meine Mutter sagte noch, dass es nichts machen würde, wenn wir mal bei einem Spiel den Ton angeben würden. Auf Nachfrage erklärte sie, wie das gemeint war. Als es dann soweit war, zogen sich die Erwachsenen irgenwann zurück. Es waren nur die leiblichen Kinder und die angeheirate Frau des toten Eberhard anwesend. Dann kamen sie irgendwann herunter und sagten: “So, nun spielt mal was” und wollten uns zusehen. Keiner tat was aber ich erinnerte mich, was die Mutter gesagt hatte und machte ein paar Vorschläge.

Das reichte dann schon und wir gingen hinein in die gute Stube. Dann drückte der Großvater erst dem Cousin auf die Schulter, aber der blieb gerade. Dann war ich dran. Als der Großvater mich dann auch herunter drückte, versuchte ich auch dagegen zu halten. Wenigstens so lange bis mir einer zur Hilfe kommen würde. Eine Tante rief dann: “Elisabeth, das darfst Du nicht zulassen.” Aber keiner sagte dann noch etwas und keiner kam mir zur Hilfe. Ich wollte aushalten und stark sein – aber dann rief meine Mutter etwas streng und ermahnend: “Dietrich!” und dann knickte ich ein. Und immer noch schritt keiner ein.

Ich schämte mich wahnsinnig und wollte niemanden ansehen. Tante Hildegard rief dann noch, dass das richtig wäre, weil meine Mutter ja irgendetwas mit dem Tod von Eberhard zu tun gehabt hätte und dass ich nun dem Cousin unterstellt würde, wäre daher nur gerecht. Ich war puterrot und wollte einfach nur weg sein. Der Cousin ist der Sohn von Eberhard, dem älteren Bruder meiner Mutter, der bei einem Verkehrsunfall (?) starb, bevor wir ihn kennenlernten. Der Cousin sollte mir dann etwas befehlen und ihm fiel nichts ein und er sagte etwas verlegen was und ich tat es. Ich ergab mich völlig und mir war alles egal und es sollte nur aufhören. Aber es hörte noch nicht auf.

Dann sollten wir zum Kaffeetisch schreiten und Großmutter sollte für mich das einfache Geschirr aus der Küche holen, denn das wäre meinem Stand gerechter. Das war nur für die anderen:

Ich aß dann ohne Appetit ein Stück Kuchen, das für mich ausgesucht wurde.

Als dann mein Vater dachten wohl alle, jetzt würde mir jemand helfen. Aber die ganze traurige Geschchte geht so, dass er als erstes fragte, ob ich schon wieder etwas angestellt hätte. Erst sagte keiner etwas und dann irgendjemand, dass das nicht so wäre. Dann setzte er sich dazu und aß seinen Kuchen und trank seinen leckeren Kaffee.

Es war schrecklich, schrecklich, schrecklich.

Dann fragte eine Tante, wohl um meinen Großvater zu besänftigen: “Erzähl uns doch noch einmal die Geschiche, was Du mit dem anderen gemacht hast.” Und dann erzählte er, dass es noch einen anderen gegeben hätte, im 3. Reich, der genauso hieß wie er. Dem hätte er gesagt, dass er sich nur die Haare wachsen lassen solle, dann würden sie kommen und ihn retten. Komische Geschichte und ich weiß bis heute nicht, was ich davon halten soll. Aber so war es.

Als ich meiner Mutter hinterher vorhielt, warum sie mir in den Rücken gefallen wäre, sagte sie: “Was wolltest Du denn tun? Willst Du denn wie Eberhard enden?” Darum denke ich, dass die Sippschaft das alles nicht zum ersten Mal erlebt hat.

Großvater wird schwach

Einmal, als ich wieder mehrere Tage dort war, meinte mein Großvater, er wolle mich untersuchen. Ich sollte dann meine Hose ausziehen und plötzlich fingerte er an sich selbst herum und wurde ganz hektisch und rief: “Ich helf Dir gegen Deine Mutter.” Er klammerte sich um meinen Hals und plötzlich wurde er ganz ruhig und sagte: “Ich dachte nicht, dass mir das noch einmal passieren würde.” Dann schickte er mich weg. Heute weiß ich, dass er wohl einen Orgasmus hatte.

Danach mußte ich weg. Es wurde dann jemand gerufen, der mich mitnehmen sollte. Ein Kinderquäler, dem ich schon einmal aber unter den Augen meines Großvaters überlassen worden war. Er wurde angerufen und kam mit einem Viehwagen, um mich darin mitzunehmen. Ich hatte entsetzliche Panik und wußte nicht was ich machen sollte. Ich merkte wohl, dass das was sonst immer geholfen hatte: Das Nachgeben und alle Schuld auf mich nehmen offensichtlich nicht mehr funktionierte. Ich wußte nicht ein noch aus und suchte nach Versteck- und Fluchtmöglichkeiten. Ich war innerlich eine einzige flirrende Angst.

Meine Großmutter rief dann irgendwann nachmittags meine Mutter an und die redete das dann wohl meinem Großvater aus. Jedenfalls ging er raus, als der Mann mit dem Viehwagen kam und schickte ihn wieder weg.

Von da an hat mich Großvater nicht mehr mißbraucht aber leider war es noch nicht aus. Mein Großvater sagte meinen Eltern, dass ich ihn sehr enttäuscht hätte – wahrscheinlich behauptete er, dass ich ihn verführt hätte, irgendeinen Blödsinn. Meine Eltern fragten mich in den Monaten danach immer mal wieder, was denn passiert wäre, aber wenn ich zu dem Punkt kam, an dem Großvater an sich selbst rumfingerte, wandten sie sich ab und wurden wütend, dass ich nicht die Wahrheit sagte.

Nach Großvaters Mißbrauch

Meine Mutter fing dann an, nach einem Käufer für mich zu suchen und ich wurde mehrfach anderen an mir interessierten Männern vorgeführt. Ich mußte dann “testweise” willfähriges Opfer sein. Meine Mutter hatte Kontakt zu einer Frau aufgenommen, die über entsprechende Kontakte verfügte – heute weiß ich, dass es eine Prostituierte war – und mindestens zwei interessierte Käufer fand. Das zog sich insgsamt über ein halbes bis ein Jahr hin aber meine Mutter war nicht von ihrem Plan abzubringen.

Ich hatte mich zuerst ein wenig von den Torturen mit meinem Großvater erholt und nahm das ganze nicht so ernst. Aber irgendwann, als meine Mutter dann einmal auch noch eine Maske an mir ausprobierte, mit der man anderen den Atem nehmen kann, überkam mich wieder die Panik, die dann über mehrere Wochen immer schlimmer wurde. Die Maske hatte einer bestellt, der mich dann kaufen wollte und meine Mutter sollte die bei der Übergabe mitbringen.

Sie brachte mich dann auch zum Übergabepunkt aber der Käufer kam nicht. Und als meine Mutter dann zu der Prostitutierten, die den Kontakt eingefädelt hatte sagte, dass sie dann einen neuen Käufer suchen müsse, sagte diese meiner Mutter, dass sie sich mal das kleine Kind ansehen soll und erklärte ihr wie dumm sie war. Das hat meine Mutter irgendwie da runter gebracht.

Irgenwie war dann wirklich (fast) alles um, wir gingen wieder nach hause. Meine Mutter meinte: “Jetzt haben wir Dich schon so weit durchgebracht, jetzt schaffen wir das weitere auch noch.” Ich weiß bis heute nicht genau wie sie das meinte. Ich vermute, sie war so sehr von meiner Schwäche überzeugt oder sie wußte einfach, dass sie da jetzt gegen ihren Vater sich durchlavieren müsse oder beides.

Sie fragte mich dann noch und wurde dabei ganz Ernst: “Jetzt ist es ja wirklich alles um und ich will ja jetzt auch für Dich da sein, aber jetzt kannst Du es mir ja sagen. Sagst Du mir die Wahrheit?” Ich versprach es. Sie fragte mich dann wieder, was denn an dem Tag geschehen wäre, ab dem Großpapa mich nicht mehr hätte sehen wollen und ich war verblüfft und verärgert, dass das jetzte wieder losging. Ich sagte: “Was habt Ihr bloß immer mit dem Tag, ich habe es Euch doch tausendmal erzählt und das ist einfach die Wahrheit.” Sie sah mich groß an, Schweigen, nickte dann in sich herein und ging weg.

Ich habe dann alles vergessen. Alles, alles, alles.