2. Auf dem Weg zurück

Hi, Leid.

Brief an Großpapa

Du unerträgliches Scheusal. Du Kleinkopf mit Deiner gespielten Souveränität, mit Deinem Glauben an irgendwelche ungeprüften und ungelebten Hirngespinnste mit denen Du Deine ganze Umgebung tyrannisierst. Du hast Dein Leben nicht gelebt. Das was Du Mut und Kraft nennst ist einfach kindische Dickköpfigkeit und ungezogenes Benehmen. Dein Leiden, was auch immer es ist, ist lächerlich und anmaßend. Weil Du meinst Du bist irgenwie was besonderes. Bist Du aber nicht, sondern ein irrender Mensch wie jeder andere – eigentlich. Nur eben einer derjenigen die unfähig sind und bleiben, sich selbst anzunehmen wie sie sind. Es ist doch nicht schwer, andere, Wehrlose zu versklaven. Nur überflüssig. Das ist der Grund warum die anderen es nicht machen, weil es überflüssig ist und weil niemand etwas davon hat. Nicht das versklavte Kind und auch nicht der Peiniger. Nein, auch Du nicht, jedenfalls nichts außer einem lächerlichen kleinen Orgasmus, den Du in Deiner Erbärmlichkeit auch noch anbeten mußt weil es das einzige ist, was Dich vor Deiner berechtigten Selbstverachtung schützt. Aber es ist doch nun wirklich nichts besonderes, Orgasmen zu haben. Und dass Dein Orgasmus “errungen” wird, in dem andere leiden müssen, macht den damit verbundenen kurzen Rausch doch nicht schöner sondern nur erbärmlicher. Darum macht das sonst (fast) keiner außer Dir. Weil die meisten es schaffen, gleichaltrige Sexpartner zu finden. So einfach. Die haben das nicht nötig. Versehst Du? Das ist kein Zeichen von Schwäche sondern – wenn überhaupt etwas – von Stärke. Du kleingebliebener Erwachsener oder eher noch Du groß gewordenes Kleinkind.

Du machst mir Angst, weil Du alles mit mir machen konntest und die einzige Hoffnung, die das kleine Kind hatte, war, dass es irgendwann groß sein würde und dass sich sich dann vielleicht zeigen würde, dass es das nicht verdient hatte. Die einzige Hoffnung war das große unbekannte Leben, das Du ihm hättest erklären müssen. Aber Du hast ja selbst keine Ahnung, Du schwitzender, stinkender, dicker alter Mann mit Deinem dicken Schwanz, der sich kleine unschuldige Kinder suchen muß, weil Du zu schwach bist und nicht mutig genug es mit Gleichaltrigen zu machen. Du bist der bekotzteste alte Scheißkerl, von dem ich weiß, dass es ihn gibt oder gab. Da hast Du einmal Glück gehabt mit mir, weil meine Mutter aus ihrer Sklaverei keinen Ausweg gefunden hat und mein Vater auch nicht. Du riesiges aufgeblasenes Kleinkind. Du Muttersöhnchen. Du Schwachkopf. Du selbstverliebtes Stück überflüssiges Fleisch. Du miese, miese große übelriechende, schnaufende alte Wamme. Du dämlicher, dämlicher, dämlicher alter Mann.

Das Ding ist, dass man als Erwachsener viel weiter kommen kann, als es Dein Kind gebliebener Dickkopf Dir ermöglicht. Das konnte ich als Kind nicht wissen, und das hast Du ausgenutzt und den kleinen Jungen mit Deinem ganzen Unglück und Deinen ganzen unerfüllten Wünschen überhäuft. Du hast Hilfe da eingefordert, wo ein erwachsener Mann hätte helfen müssen. Ich hoffe so sehr, dass Du einen entsetzlichen Tod hattest. Weil Du mir so viel Angst bereitet hast und der kleine Junge das noch immer nicht vergessen konnte. Weil meine Mutter das ihr ganzes Leben und bis zu ihrem Tod nicht vergessen konnte. Weil Du die große Schwäche und Angst meines Vaters ausgenutzt hast, in Deiner kindlichen Gemeinheit und Eifersucht auf jedes Glück anderer. Du unerträgliches dickes, schweres, viel zu schweres widerliches glitschiges erbärmliches qualliges Kleinkind.

Das Schlimme an Dir ist, dass Du es schon gesehen hast, was das aus den Menschen macht. An meinen Eltern. Und dass Du trotzdem weiter gemacht hast. Obwohl Du wußtest und gesehen hast, dass das ganze System nicht funktioniert. Dass Eltern keine Eltern sein können, wenn sie mechanisch nach Deinen Vorgaben funktionieren sollen. Und wer soll sich um die Kinder kümmern, wenn die Eltern sich nicht mehr um sie kümmern können? Du etwa? Hitler? Die Herrenmenschen? Aber wer kümmer sich um die Herrenmenschen, wenn sie klein sind? Eberhard, der ja durch Deine Schule ging und dann tot war? So bescheuert es ist, dass ich das noch mit Dir, einem erwachsenen, alten Mann klären muß. Wo das doch alle sehen können. Man muß kotzen, kotzen, kotzen und nochmal kotzen.

Du glaubst doch selbst nicht, was Du da als Lehre verkündest. Und weil Du das selbst nicht glaubst kriegst Du immer mehr Angst vor den anderen, dass einer Deine lächerlichen Theorien mitkriegen könnte und Dich endlich mal einer auslacht und Du dann spüren mußt wie dämlich Du bist und dann kindisch lächeln mußt, weil da mal endlich ein “Starker” ist. Ein Starker nach dem Du Dich doch heimlich so sehr sehnst und dem Du dann endlich verfallen darfst. Dann mach es doch endlich mal. Mach es doch, es interessiert doch nicht wirklich jemanden. Aber lass Deine Dir vom Leben zum Schutz befohlenen in Ruhe. Aber Du bist so wie du bist und Du willst Dich nicht ändern und darum bleibst du so kläglich wie Du bist und mußt dann auch so kläglich sterben wie Du bist. Das ist meine Hoffnung: Dass es das Richtige und Wahre im Leben gibt und dass sich dieses Richtige am Ende eines jeden Lebens durchsetzt. Und dass darum das Ende für Dich, der immer vor sich weggelaufen ist und so viele andere ihm zum Schutz befohlene aus Angst vor sich selbst so sehr gequält hat, dass das Ende für Dich entsetzlich sein muß. Dass dieses entsetzliche Ende für ein solches Wesen ewig andauern muß, bis endlich in vielen, vielen tausend Jahren alles gesühnt ist. Das ist meine Hoffnung und so sei es.

Von den Eltern lernen

So befremdlich sich das vielleicht anhört: Ich glaube die Schizophrenie meiner Mutter und die Selbstmorde meiner Eltern, sind mir bis heute eine Hilfe. Es gibt Momente, in denen die Angst so fürchterlich zu mir zurück kommt und ich nicht weiß, ob ich das weiter aushalten kann. Dann kann ich mir aber an dem Beispiel meiner Eltern klar machen, dass es nicht der richtige Weg ist, immer nur dorthin zu laufen, wo der geringste Widerstand ist und sich nicht dem zu stellen, was einem so viel Angst macht. Seien es Erinnerungen oder der eigene Vater oder was auch immer. Dass es für mich keinen anderen Weg gibt zum Leben, als da durch zu gehen. Und wenn ich daran zerbreche, dann ist es trotzdem meine einzige Chance. Dass es notwendig ist, sich dem ganzen Schlamassel noch einmal zu stellen – auch wenn sie einem als Kind mit aller Gewalt genau das abgewöhnen wollten.

Brief an die Verwandtschaft

Liebe Tanten und Onkels,

mir geht es gut – wie geht es Euch. Hier ist es sehr schön und ich bin froh, dass ich immer so getan habe, als würde ich die Geringschätzigkeit, mit der ihr mich behandelt habt, nicht merken. Ich habe immer so getan, weil ich nicht wußte, wie ich es Euch heimzahlen kann. Weil meine Eltern genau wie ihr im Bann meines Großvaters waren, dummerweise eben auch mein Vater, der komischerweise sogar irgendwie vor Euch Angst haben zu schien. Aber alle haben sich klein gemacht, gegenüber dem tyrannischen, schwulen, verwöhnten Arschloch von Großpapa mit seinem Schwanz, der viel zu dick war für den kleinen Kinderhals.

Ich habe immer versucht, erwachsen zu erscheinen und Euch alles zu verzeihen. Aber in meinem Herzen habe ich mir immer gewünscht, Ihr wäret auf meiner Seite. Auch wenn es hart kommt. Auch wenn der Großvater mich wieder schwach findet und jeden, der sich auf meine Seite stellen würde, auch schwach finden würde. Mit den ganzen Torturen und Foltereien, zu denen ein heimlicher, frustierter Schwuler mit sozialdarwinistischen Machtphantasien eben gegenüber einem wehrlosen kleinen Kind fähig ist. Ein ekeliger, alter Mann, gedeckt von seiner ganzen Sippschaft, geifernd vor, hinter und über seinem wehrlosen Opfer.

Ich hätte mir so sehr gewünscht, dass irgendjemand auf meiner Seite wäre. Nur für einen Tag. Nicht, weil ich mir zu träumen gewagt hätte, dass dann alles aus sein könnte. Nur um ein wenig Frieden mit mir selbst haben zu dürfen und nicht so einsam sterben zu müssen. Ich war komplett fertig mit diesem sinnlosen Leben. Ich war nur nicht bereit und in der Lage diese Einsamkeit und Verachtung, durch alle Menschen die ich kannte, auszuhalten. Ich konnte den Gedanken einen solchen Tod erleiden zu müssen nicht aushalten. Das war alles was ich wollte: Einen schönen Tag erleben ohne Demütigungen und ich dachte, dass ich dann Ruhe geben könnte und in meinen Tod eingewilligen.

Darum, um diesen einen Tag irgendwie möglich zu machen, habe ich immer so getan, als würde ich nichts merken. Darum habe ich das alles ausgehalten: Meine Mutter, die genauso gerne wie ihr stark sein wollte, in den Augen meines Großvaters. Die uns bereits als kleine Kinder quälte, weil ihr Großpapa ganz einfach weismachen konnte, wie schwach wir wären und dass wir eine harte Hand bräuchten. Wie sehr mußte ich mich immer wieder anstrengen, Ihr zu bestätigen, dass sie recht damit hatte. Weil wir früh gemerkt hatten, dass eine so eingebildet starke Frau wie sie, es nicht erlauben kann, dass man ihr widerspricht und sonst komplett durchdreht. Dabei war sie doch so schwach und ängstlich! Wie sehr mußte ich mich anstrengen, sie da irgendwie durchzubringen, damit mein und das Überleben meiner Geschwister irgendwie ermöglicht wurde! Und dabei hat mir, dem Schwachen, niemand – außer meinen Schwestern – geholfen: Nicht Ihr und nicht mein Vater.

Und mit Euch hat Großpapa doch das gleiche Spiel gespielt: Wer den kleinen Dietrich verteidigt ist schwach! Ich habe mir so sehr gewünscht, dass Ihr auf meiner Seite wäret und dass Ihr mir helft, diesen einen Tag zu erleben. Aber für Euch waren meine Versuche, Euch irgendwie doch noch für mich zu gewinnen und an Eure Menschlichkeit zu appelieren, immer nur ein Zeichen meiner Schwäche.

Ich habe das dritte bis sechste Jahr meiner Kindheit damit zugebracht, mir jeden Tag aufs neue den Kopf darüber zu zuermartern, wo mein Fehler ist und ich habe nichts, nichts unversucht gelassen, da irgendwas dran zu drehen, dass das aufhört. Dabei sind sicherlich oft wirre Aktionen heraus gekommen. Aber das Spiel, dessen Regeln ich zu dumm war zu begreifen ging so: Der Großpapa schlägt und alle sehen zu und schlagen ein bischen mit. Wenn er sich wehrt, ist das nur ein Zeichen, dass er seine Schwäche nicht einsehen kann und er muß noch besser dressiert werden. Wenn er weint und um Hilfe bittet, seht Ihr ja wie schwach er ist. Das Resultat ist das gleiche, weil er doch gestählt werden muß und weil er zu dumm ist das Spiel zu verstehen. Und wenn er gar nichts tut, ist es noch am besten und dann ist ein bischen Ruhe. Aber dann muß er auch einsehen, dass er schwach ist, weil der doch verloren hat. Die Frage an Euch ist: Ist er wirklich der Verlierer in diesem Spiel? Dass er so unendlich traurig ist und nicht verstehen kann, wie es auf der Erde solche Spiele geben kann, deutet darauf hin, nicht wahr? Dass er sich fragen muß, wie es in einer Welt, die doch ihn selbst hervorgebracht hat, solche Erlebnisse geben kann, das muß doch ein Zeichen von Schwäche sein. Nicht wahr?

Ich habe das damals auch selbst als Schwäche empfunden, dass ich da auch noch selbst mitspiele und immer wieder nach einem Ausweg suche. Aber der einzige Ausweg, der mir einfiel war der Tod. Und eigentlich wollte ich auch in einer Welt, die so anders ist als ich selbst, nicht weiter leben. Hätte ich mein junges Leben also wirklich beenden sollen? So sterben? Ohne dass einer auf meiner Seite ist? Aber wozu dieser Tod? Wäre ich dann endlich stark gewesen? Hätte einer von Euch dann gesagt: “Oh hoppla, der war ja doch nicht so schwach. Haben wir uns wohl getäuscht.”? Wenn ich daran hätte glauben können, hätte ich vielleicht einen Weg gefunden, das alles zu beenden und könnte das heute nicht mehr schreiben. Aber ich wußte, dass Ihr das nicht gesagt hättet, sondern: “Tja, Großvater hat es ja immer gesagt.”

Ich hasse Euch, ich hasse Euch, ich hasse Euch und ein Teil von mir wird Euch immer hassen. Dafür, dass da keiner den Mund aufgemacht hat, als mich Großpapa vor Euren Augen gedemütigt hat. Dass Ihr Euch zu ihm an den Tisch gesetzt habt und nicht zu dem kleinen, hilflosen Jungen an seinem Extratisch. Wofür? Wer von Euch steht denn jetzt auf einem Denkmal, zusammen mit Großpapa und als Beweis für Eure Stärke? Und für diese überlegene Ideologie, die das Schwache ausmärzen möchte, und die doch dann als erstes selbst ausgemärzt werden müsste. Wenn Ihr Recht hättet, wäre das ganze Leben doch nur eine lächerliche Marionettenveranstaltung – aber vermutlich ist es genau das, was Ihr unter Leben versteht. Und für Marionetten ist das ja wahrscheinlich auch die einzige Art von Leben die sie kennen.

Ich kann gar nicht so viel kotzen, wie mir schlecht ist bei den Erinnerungen und ich kann gar nicht so viel heulen, wie mich dieser ganze widerwärtige Quatsch traurig macht.

Wer gab und gibt Euch nur das Recht, Euch so über andere Menschen zu stellen? Wer gab Euch nur das Recht, die Scham, die doch bei Euch sein sollte, dem kleinen, vierjährigen Kind aufzutischen? Eure eigene, kleine Angst davor selbst herabgewürdigt zu werden? Dann kann ich nur sagen, dass Euch niemand mehr herabwürdigen kann, als ihr es selbst in diesem Moment tatet. Oder einfach nur Großpapa mit seiner eingebildeten Stärke und seinen Träumereien von der  starken Rasse? Aber warum habt ihr das dem geistig klein gebliebenen Familientyrannen geglaubt? Dass er weiß, wie das geht mit der starken Rasse und wer stark und wer schwach ist? Weil er im 3. Reich und danach soundso viele Menschen inklusive seiner eigenen Kinder und fast auch Enkelkinder auf dem Gewissen hat? Ist das Eure starke Rasse? Kann eine Lehre, bei der diejenigen, die sich Stärke anmaßen und draus das Recht ableiten andere zu quälen stark sein? Habt Ihr das wirklich geglaubt? Also was dann? Und sagt jetzt nicht wieder, dass ihr das ja alles nicht wußtet – ihr wußtet nicht alles aber Ihr wußtet genug.

Ich denke, dass Ihr nicht daran vorbei kommt, darauf eine Antwort zu finden. Meine Eltern konnten es nicht. 

Viele Grüße auch an Euren Tod, – und vor allem: Nicht schwach werden! Nicht wahr?

Dietrich

PS: Ich weiß, dass zwei von Euch Älteren zweimal “heimlich” auf meiner Seite waren. Ihr glaubt nicht, wie wichtig das für mich war und wieviele Wochen mich das wieder weiter getragen hat. Aber es war nicht genug.