1. Kurzgeschichte

Flash Leid.
Ein relativ kurz gehaltene Geschichte meines Mißbrauchs. Da diese nur dann zu verstehen ist, wenn man zwei Generationen weiter nach vorne geht, beginne ich mit meine Eltern und erzähle, was ich von denen weiß.

Mamas Traurigkeit

Mama war so traurig innen drin. Ihre eigene Mutter war gestorben als sie 14 war und sie erzählte uns, dass sie ihre eigene Mutter an die Nazis verraten hatte, weil die Mutter gegen den Krieg war und alles. Ihre Mutter war dann zum Verhör geholt worden und kam dann aber wieder nach hause und war wohl ziehmlich verstört aber verzieh meiner Mutter. Aber dann starb sie nach einiger Zeit und meine Mutter war der Meinung, dass sie sich nie von dem Verhör und dem Kummer erholt hatte, den meine Mutter ihr angetan hatte.

Ich glaube, dass mein Großvater ihr das eingeredet hat und ihr sagte, dass das ein Zeichen von Stärke wäre, wenn sie das aushalten und die Schuld auf sich nehmen würde und damit leben könne und das gut finden könnte. Ich glaube auch, dass mein Großvater selbst seine Frau los werden wollte, weil sie seine Naziphantasien nicht teilte und sie ihn erstens an seiner eigenen “Starkwerdung” hindern würde und weil sie zweitens ihre schützende Hand über seinen Sohn, Eberhard, hielt und er seine “Stärke-Erziehung” an seinem Sohn so extrem wie möglich durchziehen wollte.

Unsere Mutter erzählte uns auch, dass Ihr älterer Bruder, Eberhard, den Großvater zu einem Starken machen wollte mit der ganzen Brutalität und Grausamkeit die er dafür so gerne anwandte unter der schützenden Hand seiner Mutter gestanden hätte, die nach deren Tod ja wegfiel und Großpapa dann freie Hand hatte. Auch daran gab sich meine Mutter die Schuld. Und wohl auch nicht ganz zu unrecht, denn sie erzählte auch, dass Großpapa oft sehr brutal zu Eberhard gewesen wäre, dass er ihn zum Beispiel auch über nacht in einem Erdloch eingesperrt hätte. Sie erzählte aber auch, dass es dann auch wieder lustig gewesen wäre, mit anzusehen, wie sich Eberhard gewunden hätte, wenn Großvater ihn quälte.

Meine leibliche Großmutter starb jedenfalls an etwas, Thrombose wurde diagnostiziert und allgemein wurde von schlechter ärtzlicher Versorgung im Krieg gesprochen und auch Großpapa, der ja Tierarzt war, war an der ärztlichen Betreuung seiner Frau beteiligt. Was wirklich geschehen war, werde ich nie wissen aber ich zweifele an vielem was mir in diesem Zusammenhang erzählt wurde.

Meine Mutter erzählte jedenfalls auch, dass ihre Stiefmutter, meine Großmutter, in die Familie als Haushälterin kam als ihre Mutter noch lebte und dass diese sich immer als Verbündete der Kinder ausgegeben hatte, auch gegen deren eigene Mutter und Vater. Dass diese aber doch erst dem Großvater “diese Ideen” vorgestellt hatte und sich mit ihm verbündet hätte. Und als ihre Mutter das mitbekommen hätte, wäre es längst zu spät gewesen.

Als ihre Mutter starb gab es laut meiner Mutter auch noch ein kleines Baby und meine Mutter war traurig und die Feinde (die Russen im Krieg) kamen näher und keiner wußte, was nun aus dem Baby werden solle. Meine Mutter, die sich ja die Schuld an allem gab, nahm sich dann der Sache an und erstickte das Kinde mit einem Kissen.

Wenn uns unsere Mutter diese Dinge erzählte, wurde sie immer trauriger und am Ende ging dann ein Ruck durch sie und sie drückte sich durch und wollte zu ihrer Stärke zurück finden. Wenn wir sie danach in irgendeiner Form daran erinnerten wurde sie sehr wütend und sehr brutal.

Ich war immer so traurig und wütend auf meinen Vater, der meiner Mutter doch hätte helfen müssen aber sich lieber in seine eigene Schwäche zurück zog und eine starke Frau haben wollte. Und da haben sich die beiden in ihrer Verzweiflung wohl gefunden: Meine Mutter, die ihre Traurigkeit durch eingebildete Stärke bekämpfen wollte und mein Vater, der sich klein und schwach fühlen wollte, damit ihn jemand beschützt und der Angst davor hatte, seine Wut gegen jemanden zu richten, den er vielleicht noch als Schutz brauchte.

Vater ist Sehnsucht

Ich hatte einmal einen Vater, in den ersten Jahren meines Lebens, der sich freute, wenn er mich sah, der mich glücklich machte, wenn er da war am Feierabend und der einen so interessanten Geruch hatte.

Diese Phase hörte nach ungefähr drei bis vier Jahren auf. Ich weiß schon sehr lange, dass mein Vater meiner Mutter sexuell hörig war. Ich weiß auch, dass mein Vater regelmässig zu einer Domina ging. Beides haben meine Eltern mir selbst vorgeführt.

Als meine Mutter wollte, dass mein Vater sich zwischen ihr, die mich zu ihrem Vater schicken wollte, und mir entscheidet, war die Sache für meinen Vater recht schnell klar. Ich wurde dann auch zu seinem Opfer. Ein einziges Mal, als wir zu zweit waren, deutete er an, dass er selbst keinen anderen Ausweg sehen würde und dass ich das doch verstehen müsse. Die einzige Lösung, die es geben würde, wäre, wenn mein Großvater weg wäre.  Er meinte auch, dass Kinder da keine Strafe befürchten müssten und dass ihm das leider erst zu spät klar geworden wäre. Wie er das meinte, habe ich nur halb verstanden und ich wollte vielleicht auch nicht alles verstehen. Ich  erfuhr dann später am eigenen Leib, wie er das wohl meinte: Er war der älteste Sohn eines Bauern und wurde selbst als Kind von seinem Vater mißbraucht. Ich kann das nur vermuten aber ich denke, da er der älteste war, war er auch das bevorzugte Opfer. Mein Vater hatte noch sechs Geschwister und die ganze Familie war eigentlich angenehm und entspannt, daher denke ich, dass es meinen Vater besonders schlimm traf. Auffällig ist auch, dass mein Vater als Erstbeborener, dennoch nicht – wie üblich – den nicht kleinen Bauernhof übernahm, den an seiner Stelle sein jüngerer Bruder fortführte.

Großvaters Mißbrauch

Meine Mutter war wohl von ihrem eigenen Vater abhängig, jedenfalls tat sie fast alles, was er wollte. Als sie mich zum ersten Mal zu meinem Großvater schickte, war meine Schwester auch dabei. Sie benahm sich, als ob unser ganzes bisheriges Leben nur für diesen Moment stattgefunden hätte. Sie hoffte wohl, dass wir beide in den Augen unseres Großvaters genauso stark eingeschätzt würden, wie sie selbst sich in seinen Augen fühlte. Sie meinte, dass es schwache Menschen geben würde, die noch die Hand lieben würden, die sie schlägt.

Vor allem ich wurde von meinem Großvater als Schwächling eingeschätzt, der eine starke Hand bräuchte. Damit begann ein entsetzliches Leben, gepeinigt von einem mich mißbrauchenden Großvater, einer Mutter, die mich verachtete und einem Vater, der Angst davor hatte, auf meiner Seite stehen zu müssen. Er war froh, als mein Großvater ihn dann eines Tages ins Vertrauen zog und ihm erklärte, wie wichtig es für mich war, dass er sich um einen Schwachen wie mich kümmerte.

Das ging dann eine ganze Zeit so, zum Glück lebten meine Großeltern ungefähr 1,5 Stunden Fahrtzeit entfernt. Aber manchmal mußte ich dort mehrere Tage übernachten und dann passierte es meistens in der ersten Nacht, dass ich gefesselt und drangsaliert wurde.

Kaffetrinken mit Goldrand

Eines Tages sagte mein Großvater zu meiner Mutter: “Der Dietrich ist ja schon ganz gut, aber dass er so zutraulich mit anderen Leuten umgeht ist noch nicht gut, aber ich habe da schon eine Idee, wie ich das machen kann.” Dabei lächelte er sein gütiges, überlegenes Lächeln.

Ich glaube, dass dieser Plan dann so aufging:

Es gab eine Familienfeier und meine Mutter sagte noch, dass es nichts machen würde, wenn wir mal bei einem Spiel den Ton angeben würden. Auf Nachfrage erklärte sie, wie das gemeint war. Als es dann soweit war, zogen sich die Erwachsenen irgenwann zurück. Es waren nur die leiblichen Kinder und die angeheirate Frau des toten Eberhard anwesend. Dann kamen sie irgendwann herunter und sagten: “So, nun spielt mal was” und wollten uns zusehen. Keiner tat was aber ich erinnerte mich, was die Mutter gesagt hatte und machte ein paar Vorschläge.

Das reichte dann schon und wir gingen hinein in die gute Stube. Dann drückte der Großvater erst dem Cousin auf die Schulter, aber der blieb gerade. Dann war ich dran. Als der Großvater mich dann auch herunter drückte, versuchte ich auch dagegen zu halten. Wenigstens so lange bis mir einer zur Hilfe kommen würde. Eine Tante rief dann: “Elisabeth, das darfst Du nicht zulassen.” Aber keiner sagte dann noch etwas und keiner kam mir zur Hilfe. Ich wollte aushalten und stark sein – aber dann rief meine Mutter etwas streng und ermahnend: “Dietrich!” und dann knickte ich ein. Und immer noch schritt keiner ein.

Ich schämte mich wahnsinnig und wollte niemanden ansehen. Tante Hildegard rief dann noch, dass das richtig wäre, weil meine Mutter ja irgendetwas mit dem Tod von Eberhard zu tun gehabt hätte und dass ich nun dem Cousin unterstellt würde, wäre daher nur gerecht. Ich war puterrot und wollte einfach nur weg sein. Der Cousin ist der Sohn von Eberhard, dem älteren Bruder meiner Mutter, der bei einem Verkehrsunfall (?) starb, bevor wir ihn kennenlernten. Der Cousin sollte mir dann etwas befehlen und ihm fiel nichts ein und er sagte etwas verlegen was und ich tat es. Ich ergab mich völlig und mir war alles egal und es sollte nur aufhören. Aber es hörte noch nicht auf.

Dann sollten wir zum Kaffeetisch schreiten und Großmutter sollte für mich das einfache Geschirr aus der Küche holen, denn das wäre meinem Stand gerechter. Das war nur für die anderen:

Ich aß dann ohne Appetit ein Stück Kuchen, das für mich ausgesucht wurde.

Als dann mein Vater dachten wohl alle, jetzt würde mir jemand helfen. Aber die ganze traurige Geschchte geht so, dass er als erstes fragte, ob ich schon wieder etwas angestellt hätte. Erst sagte keiner etwas und dann irgendjemand, dass das nicht so wäre. Dann setzte er sich dazu und aß seinen Kuchen und trank seinen leckeren Kaffee.

Es war schrecklich, schrecklich, schrecklich.

Dann fragte eine Tante, wohl um meinen Großvater zu besänftigen: “Erzähl uns doch noch einmal die Geschiche, was Du mit dem anderen gemacht hast.” Und dann erzählte er, dass es noch einen anderen gegeben hätte, im 3. Reich, der genauso hieß wie er. Dem hätte er gesagt, dass er sich nur die Haare wachsen lassen solle, dann würden sie kommen und ihn retten. Komische Geschichte und ich weiß bis heute nicht, was ich davon halten soll. Aber so war es.

Als ich meiner Mutter hinterher vorhielt, warum sie mir in den Rücken gefallen wäre, sagte sie: “Was wolltest Du denn tun? Willst Du denn wie Eberhard enden?” Darum denke ich, dass die Sippschaft das alles nicht zum ersten Mal erlebt hat.

Großvater wird schwach

Einmal, als ich wieder mehrere Tage dort war, meinte mein Großvater, er wolle mich untersuchen. Ich sollte dann meine Hose ausziehen und plötzlich fingerte er an sich selbst herum und wurde ganz hektisch und rief: “Ich helf Dir gegen Deine Mutter.” Er klammerte sich um meinen Hals und plötzlich wurde er ganz ruhig und sagte: “Ich dachte nicht, dass mir das noch einmal passieren würde.” Dann schickte er mich weg. Heute weiß ich, dass er wohl einen Orgasmus hatte.

Danach mußte ich weg. Es wurde dann jemand gerufen, der mich mitnehmen sollte. Ein Kinderquäler, dem ich schon einmal aber unter den Augen meines Großvaters überlassen worden war. Er wurde angerufen und kam mit einem Viehwagen, um mich darin mitzunehmen. Ich hatte entsetzliche Panik und wußte nicht was ich machen sollte. Ich merkte wohl, dass das was sonst immer geholfen hatte: Das Nachgeben und alle Schuld auf mich nehmen offensichtlich nicht mehr funktionierte. Ich wußte nicht ein noch aus und suchte nach Versteck- und Fluchtmöglichkeiten. Ich war innerlich eine einzige flirrende Angst.

Meine Großmutter rief dann irgendwann nachmittags meine Mutter an und die redete das dann wohl meinem Großvater aus. Jedenfalls ging er raus, als der Mann mit dem Viehwagen kam und schickte ihn wieder weg.

Von da an hat mich Großvater nicht mehr mißbraucht aber leider war es noch nicht aus. Mein Großvater sagte meinen Eltern, dass ich ihn sehr enttäuscht hätte – wahrscheinlich behauptete er, dass ich ihn verführt hätte, irgendeinen Blödsinn. Meine Eltern fragten mich in den Monaten danach immer mal wieder, was denn passiert wäre, aber wenn ich zu dem Punkt kam, an dem Großvater an sich selbst rumfingerte, wandten sie sich ab und wurden wütend, dass ich nicht die Wahrheit sagte.

Nach Großvaters Mißbrauch

Meine Mutter fing dann an, nach einem Käufer für mich zu suchen und ich wurde mehrfach anderen an mir interessierten Männern vorgeführt. Ich mußte dann “testweise” willfähriges Opfer sein. Meine Mutter hatte Kontakt zu einer Frau aufgenommen, die über entsprechende Kontakte verfügte – heute weiß ich, dass es eine Prostituierte war – und mindestens zwei interessierte Käufer fand. Das zog sich insgsamt über ein halbes bis ein Jahr hin aber meine Mutter war nicht von ihrem Plan abzubringen.

Ich hatte mich zuerst ein wenig von den Torturen mit meinem Großvater erholt und nahm das ganze nicht so ernst. Aber irgendwann, als meine Mutter dann einmal auch noch eine Maske an mir ausprobierte, mit der man anderen den Atem nehmen kann, überkam mich wieder die Panik, die dann über mehrere Wochen immer schlimmer wurde. Die Maske hatte einer bestellt, der mich dann kaufen wollte und meine Mutter sollte die bei der Übergabe mitbringen.

Sie brachte mich dann auch zum Übergabepunkt aber der Käufer kam nicht. Und als meine Mutter dann zu der Prostitutierten, die den Kontakt eingefädelt hatte sagte, dass sie dann einen neuen Käufer suchen müsse, sagte diese meiner Mutter, dass sie sich mal das kleine Kind ansehen soll und erklärte ihr wie dumm sie war. Das hat meine Mutter irgendwie da runter gebracht.

Irgenwie war dann wirklich (fast) alles um, wir gingen wieder nach hause. Meine Mutter meinte: “Jetzt haben wir Dich schon so weit durchgebracht, jetzt schaffen wir das weitere auch noch.” Ich weiß bis heute nicht genau wie sie das meinte. Ich vermute, sie war so sehr von meiner Schwäche überzeugt oder sie wußte einfach, dass sie da jetzt gegen ihren Vater sich durchlavieren müsse oder beides.

Sie fragte mich dann noch und wurde dabei ganz Ernst: “Jetzt ist es ja wirklich alles um und ich will ja jetzt auch für Dich da sein, aber jetzt kannst Du es mir ja sagen. Sagst Du mir die Wahrheit?” Ich versprach es. Sie fragte mich dann wieder, was denn an dem Tag geschehen wäre, ab dem Großpapa mich nicht mehr hätte sehen wollen und ich war verblüfft und verärgert, dass das jetzte wieder losging. Ich sagte: “Was habt Ihr bloß immer mit dem Tag, ich habe es Euch doch tausendmal erzählt und das ist einfach die Wahrheit.” Sie sah mich groß an, Schweigen, nickte dann in sich herein und ging weg.

Ich habe dann alles vergessen. Alles, alles, alles.

Das gibt es also immer noch

Als ich den Mißbrauch mit Großvater überstanden hatte, gab es viele Jahre lang Ruhe. Ich kam in die Schule und wir zogen um in eine andere Stadt. Außer dass ich merkte, dass ich irgendwie ganz anders war als die anderen und viel, viel ernster, trauriger und ängstlicher und dass es dadurch oft schwierig war, mit den anderen klar zu kommen, geschah nicht viel. Sogar mein Vater war manchmal für mich da und das war eigentlich das Schönste – auch wenn ich wußte, dass meine Mutter ihn dazu aufgefordert hatte. Meine Mutter mochte ich tief in mir drinnen nicht, aber ich schämte mich dafür und meine Mutter versuchte jetzt wirklich ganz besonders für mich zu sorgen.

Dann sollte ich einmal auf den Bauernhof fahren und dort einige Nächte bleiben, auf dem mein Vater groß geworden war. Er meinte noch zu mir, dass es sein könne, dass mein Opa etwas von mir wolle und dann solle ich ihm helfen. Mein Opa wollte dann tatsächlich etwas von mir, sagte dann zu mir ich solle mitkommen, tötte vor meinen Augen ein Huhn und ließ mich dann in seinem “Vorzimmer” warten. Die anderen Großen waren an dem Tag nicht zu hause. Dann rief er mich rein. Er sagte, dass mein Vater ja wohl bauen wolle und dafür ein Grundstück von ihm bräuchte und das würde er ihm wohl auch geben wollen, wenn ich ihm auch helfen würde. Dann zog er mir irgendein Kleidungsstück über, das er wohl toll fand und sagte ich wolle doch bestimmt Pilot werden und ich  sollte mir jetzt vorstellen, wie ich vorne im Flugzeug wäre. Dann steckte er mir “etwas” von hinten in den Popo, es tat weh und irgendwie war es eklig und unangenehm. Das Gefühl, etwas gutes zu tun, wollte sich einfach nicht einstellen. Dann schickte er mich ziehmlich herablassend und geringschätzend weg.

Ich lief in den Wald, wollte einsam sein und alleine und hatte das Gefühl, dass ich einfach nicht für diese Welt geschaffen wäre. Es war nur ein dunkles Gefühl da, dass ich das alles schon einmal erlebt hatte und eine schreckliche Angst, dass irgendetwas heraus kommen könnte, irgendeine Schuld, die schwer auf mir lastete. Es war ein ganz und gar unglückliches und sehr dumpfes Gefühl und der Wunsch nie wieder irgendjemanden sehen zu wollen. Aber irgendwann ging ich dann doch zurück und wartete, was passieren würde und ob ich wieder etwas falsch gemacht hätte. Ich nahm mir vor, auf keinen Fall zu weinen oder Schwäche zu zeigen, weil ich das Gefühl hatte, dass sie das dann sofort ausnutzen würden.

Am Abend sagte mein Onkel zu mir, dass ich ja wohl bei Opa gewesen wäre und fragte, ob mein Vater mir nichts gesagt hätte. Ich sagte, dass mein Vater gesagt hätte, dass ich meinem Opa helfen solle und mein Onkel sagte, dass ich mich da verhört haben müsse. Ich sagte nur “Nein” und versuchte nicht zu weinen und war froh als mein Onkel nichts mehr dazu sagte.

Als meine Eltern mich abholten, sagte ich, dass ich bei Opa gewesen wäre und meine Mutter sah mich entsetzt an. Sie sagte zu meinem Vater, dass sie gedacht hätte, dass mein Opa zu alt wäre dafür und mein Vater sagte: “Der hört nie auf damit”. Da sagte sie zu ihm: “Hast Du das etwa gewußt? Ich habe Dir doch erzählt was ich mit dem Jungen gemacht habe.” Mein Vater: “Soll denn immer der Sohn meines Bruders alles abkriegen?” Meine Mutter stieg dann mit mir aus dem Auto aus und sagte zu mir, dass ich nicht wieder einsteigen müsse und sie würde bei mir bleiben. Wir gingen zu Fuß weiter und mein Vater fuhr mit dem Auto neben uns her. Ich bin dann wieder eingestiegen. War ja sowieso alles Quatsch, was meine Mutter da sagte.

Mein Vater wollte es dann später zu hause noch etwas ausführlicher hören und als ich ihm von dem Kleidungsstück erzählte, sah er in sich hinein und sagte: “Das gibt es also immer noch.”

Das Ende meiner Eltern

Meine Mutter wurde dann schizophren als ich 14 war. Mit inneren Stimmen, wahnsinnigen Anfällen, Verfolgungswahn. Das volle Programm. Einmal ging sie mit dem Küchenmesser auf mich los. Ein anderes Mal, als ich sie immer wieder ansprach und sie nicht reagierte, starrte sie mich plötzlich an und sagte: “Eberhard?!” (Ihr Bruder, mein Onkel, den ich nicht kennen lernte und von dem ich denke, dass er die gleiche Rolle für meinen Großvater spielte wie ich.)

Meine Mutter erhängte sich dann später selbst, lange nachdem ich zu hause ausgezogen war.

Mein Vater hatte dann einige Liebschaften und wurde dann über die Jahre immer panischer und wollte um sich daraus zu befreien unbedingt wieder jemanden heiraten. Er konnte nur noch schwer einschlafen und nahm daher Medikamente. Uns Kindern hat er nicht viel davon erzählt. Er war dann ein paar Tage bei seinem Bruder, meinen Onkel und meinte irgendwann, dass es ihm jetzt wieder besser gehe. Er fuhr dann wieder nach hause, ging abends noch auf einen geselligen Abend (Club) und erhängte sich dann später an der gleichen Stelle (im Schuppen) an der es auch meine Mutter getan hatte.

Ist Vergessenes auch wirklich weg?

Ich bekam dann irgendwann immer mal wieder Migräne (ab ca. 16 Jahre) und habe es in keiner Beziehung lange ausgehalten – oder vielleicht besser: Niemand hielt es mit mir länger als ca. 4 Jahre aus.

Als ich dann doch noch einen Sohn bekam, war ich wohl wieder mit meiner eigenen Kindheit konfrontiert. Als er drei Jahre alt war, kamen immer mehr Erinnerungen zurück, zunächst an die ersten Jahre in der Schule und ich stellte fest, dass während dieser Erinnerungen häufig sich ankündigende Migräneanfälle wieder verschwanden.

In einem Migräneanfall, kam dann als erstes die Erinnerung an die gescheiterte Übergabe zurück, zu der mich meinen Mutter geschleppt hatte. Zuerst tauchte das weiße Haus wieder auf, in dem das stattfand und dann so langsam der Rest. Das ist jetzt ungeführ sieben Jahre her.

Vor 1,5 Jahren bekam ich dann eine sogenannte Angststörung und hatte Panik nie wieder schlafen zu können. Ich dachte, ich müsste das gleiche Schicksal wie mein Vater erleiden. Seitdem bin ich noch mehr auf dem Weg nach innen, weil ich erfahren habe, dass es Gefühle in mir gibt, die mich umbringen können und dass ich an diesen Gefühlen wachsen muß, um sie aushalten zu können, wenn sie denn wieder kommen.

Ich denke, dass ich mich den Rest meines Lebens mit meinem inneren Kind beschäftigen werde, das das alles noch immer nicht verstehen kann.

Dieser Blog soll diesem Kind ein wenig Genugtuung verschaffen, dass es sich nicht mehr so alleine fühlt. Dass es das Gefühl hat, dass ich mich seiner nicht schäme. Ich kann nicht so häufig mit anderen darüber reden, weil das eigentlich immer alle überfordert. Daher habe ich diesen Weg gewählt es in die Welt zu stellen. Natürlich habe ich auch sonst gute Hilfe gefunden und es gibt viele Menschen und auch die Gesellschaft, die mich in meiner Angstdepression nicht hat fallen lasssen, der ich von Herzen dafür dankbar bin.