Das gibt es also immer noch

Als ich den Mißbrauch mit Großvater überstanden hatte, gab es viele Jahre lang Ruhe. Ich kam in die Schule und wir zogen um in eine andere Stadt. Außer dass ich merkte, dass ich irgendwie ganz anders war als die anderen und viel, viel ernster, trauriger und ängstlicher und dass es dadurch oft schwierig war, mit den anderen klar zu kommen, geschah nicht viel. Sogar mein Vater war manchmal für mich da und das war eigentlich das Schönste – auch wenn ich wußte, dass meine Mutter ihn dazu aufgefordert hatte. Meine Mutter mochte ich tief in mir drinnen nicht, aber ich schämte mich dafür und meine Mutter versuchte jetzt wirklich ganz besonders für mich zu sorgen.

Dann sollte ich einmal auf den Bauernhof fahren und dort einige Nächte bleiben, auf dem mein Vater groß geworden war. Er meinte noch zu mir, dass es sein könne, dass mein Opa etwas von mir wolle und dann solle ich ihm helfen. Mein Opa wollte dann tatsächlich etwas von mir, sagte dann zu mir ich solle mitkommen, tötte vor meinen Augen ein Huhn und ließ mich dann in seinem “Vorzimmer” warten. Die anderen Großen waren an dem Tag nicht zu hause. Dann rief er mich rein. Er sagte, dass mein Vater ja wohl bauen wolle und dafür ein Grundstück von ihm bräuchte und das würde er ihm wohl auch geben wollen, wenn ich ihm auch helfen würde. Dann zog er mir irgendein Kleidungsstück über, das er wohl toll fand und sagte ich wolle doch bestimmt Pilot werden und ich  sollte mir jetzt vorstellen, wie ich vorne im Flugzeug wäre. Dann steckte er mir “etwas” von hinten in den Popo, es tat weh und irgendwie war es eklig und unangenehm. Das Gefühl, etwas gutes zu tun, wollte sich einfach nicht einstellen. Dann schickte er mich ziehmlich herablassend und geringschätzend weg.

Ich lief in den Wald, wollte einsam sein und alleine und hatte das Gefühl, dass ich einfach nicht für diese Welt geschaffen wäre. Es war nur ein dunkles Gefühl da, dass ich das alles schon einmal erlebt hatte und eine schreckliche Angst, dass irgendetwas heraus kommen könnte, irgendeine Schuld, die schwer auf mir lastete. Es war ein ganz und gar unglückliches und sehr dumpfes Gefühl und der Wunsch nie wieder irgendjemanden sehen zu wollen. Aber irgendwann ging ich dann doch zurück und wartete, was passieren würde und ob ich wieder etwas falsch gemacht hätte. Ich nahm mir vor, auf keinen Fall zu weinen oder Schwäche zu zeigen, weil ich das Gefühl hatte, dass sie das dann sofort ausnutzen würden.

Am Abend sagte mein Onkel zu mir, dass ich ja wohl bei Opa gewesen wäre und fragte, ob mein Vater mir nichts gesagt hätte. Ich sagte, dass mein Vater gesagt hätte, dass ich meinem Opa helfen solle und mein Onkel sagte, dass ich mich da verhört haben müsse. Ich sagte nur “Nein” und versuchte nicht zu weinen und war froh als mein Onkel nichts mehr dazu sagte.

Als meine Eltern mich abholten, sagte ich, dass ich bei Opa gewesen wäre und meine Mutter sah mich entsetzt an. Sie sagte zu meinem Vater, dass sie gedacht hätte, dass mein Opa zu alt wäre dafür und mein Vater sagte: “Der hört nie auf damit”. Da sagte sie zu ihm: “Hast Du das etwa gewußt? Ich habe Dir doch erzählt was ich mit dem Jungen gemacht habe.” Mein Vater: “Soll denn immer der Sohn meines Bruders alles abkriegen?” Meine Mutter stieg dann mit mir aus dem Auto aus und sagte zu mir, dass ich nicht wieder einsteigen müsse und sie würde bei mir bleiben. Wir gingen zu Fuß weiter und mein Vater fuhr mit dem Auto neben uns her. Ich bin dann wieder eingestiegen. War ja sowieso alles Quatsch, was meine Mutter da sagte.

Mein Vater wollte es dann später zu hause noch etwas ausführlicher hören und als ich ihm von dem Kleidungsstück erzählte, sah er in sich hinein und sagte: “Das gibt es also immer noch.”