Die können das mit einem machen: So viel Angst vor denen, dass man alles tun würde – wirklich alles, um sie nicht zu reizen. Man unterwirft sich völlig und möchte nur noch die schreckliche Angst lindern. Man versucht dem Mächtigen alles recht zu machen und hat ständig diese Angst im Blick, im Gesicht und im ganzen Körper. Man beginnt sich selbst dafür zu verachten und der Mächtige weist einen auch manchmal darauf hin, dass man das ja alles aus mehr oder weniger freien Stücken macht. Und man ist doch nicht etwa so dumm, das nicht zu wollen, nicht wahr?
Man versucht die Wut und das System des Mächtigen immer besser zu verstehen, aus Angst das eigene Leben auf diese Art zu verlieren und einen so entsetzlich einsamen und verlorenen Tod zu sterben. Man gibt sich auf, verachtet sich, beginnt den Mächtigen zu bewundern und wünscht sich eigentlich nur, dass ein anderer Mächtiger kommen könnte und den Peiniger besiegen würde. Dem würde man sich dann noch mehr und aus noch vollerem Herzen unterwerfen.
Es ist nicht mehr das eigene Leben an das man sich klammert – das ist einem längst nichts mehr wert, weil man weiß, dass man selbst Teil des Systems geworden ist. Es ist die Angst vor dem gewaltsamen Tod, erlitten unter den größten eigenen Anstrengungen das eigene Selbst aufzugeben und dadurch völlig von sich selbst getrennt zu sein. Ein Tod voller Selbstverachtung und -hass, Traurigkeit, tiefer Unsicherheit, Schutzlosigkeit, Einsamkeit, unterdrückter Wut und ohne jemals die Chance gehabt zu haben, für etwas gut gewesen zu sein. Diese Angst vor einem verlorenen Tod, der ein dann wirklich überflüssiges Leben beenden würde, ist größer als der Wunsch nach Selbstachtung – und damit schließt sich der Kreis und die Selbstaufgabe wird noch größer.
Man verliert den Glauben ganz und gar. Den Glauben an sich selbst, der, wie ich jetzt denke, der wahre Glaube auch der Religionen ist, weil es der Glaube an das Gute und Richtige ist, das vielleicht doch in jedem von uns immer da ist. Oft ist es heute dieser Glaube, wenn ich mich auf das eigene Herz ausrichte und versuche darauf zu vertrauen, dass es das Gute und Richtige in diesem Herzen gibt, der mich durch die Angst und die vielen Unsicherheiten trägt.
Warum schreibe ich das? Weil es für jemanden, der das nicht kennt, schwer zu verstehen ist, warum das Opfer da plötzlich so mitspielt und sich nicht einfach retten lässt. Und die einfachen Schlüsse, die die daraus ziehen, die von ihrer eigenen Stärke überzeugt sind aber ihre eigene Schwäche nicht kennen, sind für mich nur schwer zu ertragen.
Aber der Punkt ist: Wenn jemand das Opfer wirklich retten will und kann, dann wird er das machen und nicht darüber nachdenken, was der Anteil des Opfers ist. Es gibt diesen Anteil, das ist nicht die Frage. Aber es ist dennoch unbeschreibliches Unrecht und das ist offensichtlich. Wenn jemand den Mut hat und die Stärke zu helfen, dann soll er helfen. Das Opfer hat den Glauben an sich selbst verloren, weil es völlig unterworfen wurde. Und das Opfer weiß das und fühlt so: Wenn jemand noch die Frage stellt, ob das Opfer nicht selbst da mitspielen will, wird seine Kraft auch nicht reichen, sich gegen den Täter zu behaupten. Denn der Täter wird um sein Opfer kämpfen und Auflehnung macht nur dann Sinn, wenn am Ende ein Sieg steht. Eine erneute Niederlage würde erneute noch stärkere Unterwerfung nach sich ziehen und die Trennung von sich selbst müsste noch größer werden.
Die große Frage ist: Warum kann das so ungerecht sein? Wo ist die Erklärung? Wo ist die Schuld des Opfers, die ja die Möglichkeit einer Rettung in sich tragen würde? Warum kann ein unschuldiges Opfer einen solchen Tod sterben müssen, ohne dass irgendetwas passiert?