Glaube

Die Angst, dass es doch alles falsch sein könnte. Dass es eben doch nicht richtig ist, an das Herz zu glauben, das so einsam in mir schlägt, trotz der ganzen Traurigkeit und des ganzen Unglücks. Das einfach nicht aufhört weiter zu schlagen. Sogar wenn ich mit allem, was ich sonst von mir kenne, längst aufgegeben habe und nur noch will, dass alles endlich aufhört. Sogar dann schlägt das Herz ruhig und beharrllich weiter und gibt mir den Takt zu einer ruhigeren, einfacheren iund unaufgeregteren Melodie.

Aber wie kann das sein, dass es richtig ist, am Leben teilnehmen zu wollen, wenn doch alle immer nur vor mir weglaufen? Wenn ich doch alle immer nur störe, kann es dann immer noch richtig sein, weiterleben zu wollen? Ich habe das als Kind nur schwer entscheiden können und fühle mich noch heute unsicher dabei. Am Ende kam ich zu dem Schluß, dasss ich es erst noch einmal versuchen muß, und dass ich später, wenn ich groß bin, dafür sorgen muß, diese Entscheidung, die für andere ja eine Zumutung war, nachträglich zu rechtfertigen. Ich wollte ja niemandem zur Last fallen und habe mein Unglück, wo ich konnte, verborgen. Aber ich hätte mir so sehr gewünscht, dass auch nur einer der wenigen, die mitbekommen haben, wie gemein und herablassend mich meine Eltern behandelten, sich nicht abgewandt hätte. Aber irgendwie ist das fast nie passiert und wenn dann immer nur heimlich. War dieser Wunsch wirklich so abwegig? War das alles wirklich nur deswegen, weil ich eine Schande war für alle, die mit mir zu tun hatten? Kann das Leben so jemanden hervor bringen, der so wenig in die ganze Welt hinein passt? Wenn ja: Warum bin gerade ich das geworden? Und wenn nicht: Wann habe ich den großen Fehler begangen, der das alles in Gang gebracht hat? Was hätte ich anders machen müssen? Und wenn das egal ist: Gibt es etwas, das ich jetzt anders machen kann, damit das endlich aufhört? Damit wenigstens einer bei mir ist und auf meiner Seite? Nicht nur mal schnell eben, wenn es keiner merkt sondern auf den ich mich – wenigstens manchmal, wenn es wieder so schlimm über mich hereinbricht – verlassen kann? Damit ich eine Erinnerung habe daran, wenn ich es wieder alleine aushalten muß? Wie kann ich irgendjemanden dazu bringen, das zu tun?

Das ist der Punkt an dem mir nur der Glaube weiter hilft: Der Glaube an das Gute, das ich dann nur noch an einer einzigen Stelle in meinem ganzen Universum finde und zwar in meinem Herzen. Dieser Glaube ist oft nicht viel – aber es ist das einzige was geht und also versuche ich es. Bislang konnte es immer wieder irgendwie weiter gehen: Nicht weil ich stark war, ganz und gar nicht, sondern mit viel Improvisation und verzweifeltem Strampeln. Aber irgendwie habe ich immer überlebt. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Aber wenn ich mich auf meinen Glauben an dieses Gute in meinem Herzen verlasse und mich von nichts anderem und auch nicht vor der riesengroßen Angst in meinem ganzen Körper irre machen lasse, kann ich manchmal ein kleines Stück von dem ganzen Schlamassel hinter mir lassen. Meine Hoffnung ist, dass ich dann hindurchschreite und dann sehe ich ja irgendwann auch wieder Gutes an anderen Stellen meines Universums. Das ist der Ausweg, den ich irgendwann gefunden habe, als die große Angst vor einigen Monaten zurück zu mir kam. Ich weiß nicht, ob es vielleicht andere Wege gibt, aber ich habe nur diesen gefunden. Für jemanden wie mich ist es wichtig, dass es diesen Weg in mir gibt und dass er mir offen steht, auch wenn niemand anders für mich da ist.