Eines Tages sagte mein Großvater zu meiner Mutter: “Der Dietrich ist ja schon ganz gut, aber dass er so zutraulich mit anderen Leuten umgeht ist noch nicht gut, aber ich habe da schon eine Idee, wie ich das machen kann.” Dabei lächelte er sein gütiges, überlegenes Lächeln.
Ich glaube, dass dieser Plan dann so aufging:
Es gab eine Familienfeier und meine Mutter sagte noch, dass es nichts machen würde, wenn wir mal bei einem Spiel den Ton angeben würden. Auf Nachfrage erklärte sie, wie das gemeint war. Als es dann soweit war, zogen sich die Erwachsenen irgenwann zurück. Es waren nur die leiblichen Kinder und die angeheirate Frau des toten Eberhard anwesend. Dann kamen sie irgendwann herunter und sagten: “So, nun spielt mal was” und wollten uns zusehen. Keiner tat was aber ich erinnerte mich, was die Mutter gesagt hatte und machte ein paar Vorschläge.
Das reichte dann schon und wir gingen hinein in die gute Stube. Dann drückte der Großvater erst dem Cousin auf die Schulter, aber der blieb gerade. Dann war ich dran. Als der Großvater mich dann auch herunter drückte, versuchte ich auch dagegen zu halten. Wenigstens so lange bis mir einer zur Hilfe kommen würde. Eine Tante rief dann: “Elisabeth, das darfst Du nicht zulassen.” Aber keiner sagte dann noch etwas und keiner kam mir zur Hilfe. Ich wollte aushalten und stark sein – aber dann rief meine Mutter etwas streng und ermahnend: “Dietrich!” und dann knickte ich ein. Und immer noch schritt keiner ein.
Ich schämte mich wahnsinnig und wollte niemanden ansehen. Tante Hildegard rief dann noch, dass das richtig wäre, weil meine Mutter ja irgendetwas mit dem Tod von Eberhard zu tun gehabt hätte und dass ich nun dem Cousin unterstellt würde, wäre daher nur gerecht. Ich war puterrot und wollte einfach nur weg sein. Der Cousin ist der Sohn von Eberhard, dem älteren Bruder meiner Mutter, der bei einem Verkehrsunfall (?) starb, bevor wir ihn kennenlernten. Der Cousin sollte mir dann etwas befehlen und ihm fiel nichts ein und er sagte etwas verlegen was und ich tat es. Ich ergab mich völlig und mir war alles egal und es sollte nur aufhören. Aber es hörte noch nicht auf.
Dann sollten wir zum Kaffeetisch schreiten und Großmutter sollte für mich das einfache Geschirr aus der Küche holen, denn das wäre meinem Stand gerechter. Das war nur für die anderen:

Ich aß dann ohne Appetit ein Stück Kuchen, das für mich ausgesucht wurde.
Als dann mein Vater dachten wohl alle, jetzt würde mir jemand helfen. Aber die ganze traurige Geschchte geht so, dass er als erstes fragte, ob ich schon wieder etwas angestellt hätte. Erst sagte keiner etwas und dann irgendjemand, dass das nicht so wäre. Dann setzte er sich dazu und aß seinen Kuchen und trank seinen leckeren Kaffee.
Es war schrecklich, schrecklich, schrecklich.
Dann fragte eine Tante, wohl um meinen Großvater zu besänftigen: “Erzähl uns doch noch einmal die Geschiche, was Du mit dem anderen gemacht hast.” Und dann erzählte er, dass es noch einen anderen gegeben hätte, im 3. Reich, der genauso hieß wie er. Dem hätte er gesagt, dass er sich nur die Haare wachsen lassen solle, dann würden sie kommen und ihn retten. Komische Geschichte und ich weiß bis heute nicht, was ich davon halten soll. Aber so war es.
Als ich meiner Mutter hinterher vorhielt, warum sie mir in den Rücken gefallen wäre, sagte sie: “Was wolltest Du denn tun? Willst Du denn wie Eberhard enden?” Darum denke ich, dass die Sippschaft das alles nicht zum ersten Mal erlebt hat.